Roman Stöppler

23. März 2022

DIE GESCHICHTE DER PSYCHOLOGIE UND DES SELBST

Ich habe einmal ein fantastisches Buch in die Hände bekommen mit dem Titel Die Weltgeschichte Europas (Fryer, 1948) und zu meinem großen Erstaunen hieß der erste Abschnitt: Der Angriff der Seevölker auf Ägypten und spielte vor rund 4000 Jahren zu Zeiten Rames III. Was hat das mit Europa zu tun, habe ich mich gefragt. Wäre Europa ein anderes, wenn Ägypten die Welle der anbrandeten Barbaren die sich zu einer regelrechten Völkerwanderung ausgewachsen hatten und zu Lande und zu Wasser der damaligen Supermacht ihren Platz streitig machen wollten, nicht zurück geschlagen hätte? Höchstwahrscheinlich. Vielleicht wäre im Osten ein Land entstanden, dass die Werte des heutigen Europas (Humanismus und Aufklärung) verkörpert, sodass ein „weiteres“ Europa nie nötig gewesen wäre. Geschichte baut eben aufeinander auf und nur im Rückblick scheint immer alles ganz logisch aus dem Vorhergehenden erklärbar zu sein. Psychologen nennen das den Hindsightbias (Rückschauverzerrung), was ein anderes Thema ist, aber mir eine Überleitung bastelt.

Der Beginn der Psychologie liegt in den psychologischen Fragen, die sich Menschen stellten und das waren vor allem die Philosophen der Antike. Sie wussten bereits, dass die Erde eine Kugel ist und Platon war sich sicher, dass das Gehirn der Sitz der Seele sei (bei Aristoteles war es das Herz und das Hirn diente nur zur Kühlung des Blutes, aber das nur am Rande). Und eine Seele musste her, nicht aus religiösen Gründen, sondern um der Identitätsstiftung willen. Bei all den Veränderungen die der Mensch erlebt und selbst durchmacht, was bleibt da als Konstante?

Heute nennen wir das Selbst, Bewusstsein und seit den Römern Identität). Der neuere Begriff der Narration – der Lebenserzählung – spielt den Psychologen in die Hände und zeigt uns das diese Beständigkeit, dieses Selbst in einem Zeitfenster von 3 Wochen um unsere Gegenwart herum (wohl mehr Vergangenheit als Prognose) mitläuft. Das heißt unser Selbst ist wandelbar und wird von äußeren Eindrücken geprägt und vor allem verändert. Klingt banal. Bei Platon war es noch revolutionär, dass Die Dinge an sich (Das Schöne, Wahre, Gute ebenso wie das Ideal des Baumes und Schuhs) für uns unerreichbar in einer idealen, göttlichen Welt existieren und nur wie ein Stempelabdruck in eine Wachstafel in unsere Seele eingeprägt werden. Und die zentrale Frage der Psychologen ist heute immer noch: Wie kommt die Welt in den Kopf? Und das interessiert vor allem die Neuropsychologen, die sich mit bildgebenden Verfahren das Nektom ansehen, das Netzwerk aus Neuronen wie es feuert – als wäre das die Wachstafel Platons und würde auf die Welt zurück schließen lassen.

Wir sind gespannt. Den Systemiker interessiert aber eher die reine Tatsache, dass die Seele (Charakter, Selbst, Identität, Bewusstsein) wandelbar ist und der Schluss, der sich daraus ziehen lässt, dass Sie von äußeren Einflüssen geprägt wird. Ob also das Nektom ein reines Abbild der äußeren Welt ist (mechanistisches Weltbild) oder doch mehr – so wie das Biom sich gerade zum zweiten Gehirn aufschwingt und neue Synergien denkbar macht – wird sich so schnell nicht beantworten lassen. Das der Mensch Produkt und Hersteller seines Systems ist in dem er wie in einem Netz aufgehoben scheint (Was ist die Spinne schon ohne ihr Netz, was der Mensch ohne seine sozial Umwelt), das ist jedoch seit den Anfängen unstrittig. Ein soziales Weltbild ist daher immer schon systemisch und Fragen, die sich mit dem Menschen befassen sind immer schon Psychologie. Denn die Psychologie ist die Lehre vom Erleben und Verhalten (des Menschen) und somit sind alle Fragen die wir uns stellen, seit der Antike oder noch davor, seit den Lagerfeuern der Steinzeitmenschen, psychologische Fragen.

Was soll das? Warum ist das so? Wie kommt die Welt in den Kopf? ist dabei nur eine mögliche Entwicklung. Was soll das? Gestern war der doch noch nett? Was ist die Ursache von Veränderung? eine zweite.

Ich hoffe ich habe euch mit diesen doch eher losen Überlegungen nicht gelangweilt. Um dem ganzen etwas mehr Struktur zu geben wird der nächste Artikel über die überschaubare Geschichte der Systemischen Familientheorie gehen. Bis dahin wünsche ich euch eine tolle Zeit.

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