Roman Stöppler

23. März 2022

MEDITATION UND ACHTSAMKEIT

ZaZen sitzen und spüren

Heute muss ich euch mal einen philosophischen Text zumuten. Lose Gedanken, die ich mir über den Sinn von Meditation mache. Ich freue mich aber auch über kritische Kommentarte:

Ich habe einmal gehört Schopenhauer sei der erste gewesen, der östliche Weisheiten einem breiten europäischen Publikum nahe gebracht habe, jedoch ohne selbst danach zu leben. Er war halt ganz Philosoph und somit Akademiker. Kamen mit dem Wissen über den Buddhismus erste spirituelle Praktiken nach Europa?

Heutzutage ist Achtsamkeit in aller Munde. Es ist gewissermaßen die westliche Variante der östlichen meditativen Praxis, die Antwort einer auf Effizienz getrimmten Kultur auf das östliche „Gewahr werden des Seins“ in der Versenkung. Die Generation der Selbstoptimierer hat sich nun dieses Werkzeugs bemächtigt, vielleicht um mehr über sich zu lernen, oder noch effizienter zu werden, meist aber nicht um in Verbindung mit dem Sein zu gelangen oder in eine Einheit mit Allem zu fallen. Kann man sich einen Vorteil verschaffen auf dem Weg zu sich selbst? Zielorientiertes bzw. Lösungsorientiertes Handeln ist ja per se erst mal nichts Schlechtes.

Aber letztlich spielt die Motivation keine Rolle. Wer wirklich zu sich selbst findet, sollte dabei in sich auch die Welt finden, deren Repräsentant er ist. Alles ist Nichts, Nichts ist Alles, Alles ist. – Alles. – Sein. Der Meditierende will sich in der Meditation gerade nicht verlieren, nicht sich im Flow oder in Trance gehen lassen. Er will sich und in sich die Welt finden.

Wenn von der traditionellen Meditation die Achtsamkeit als effizientes Werkzeug der Selbstoptimierung geblieben ist, muss es dann nicht eine Schnittmenge geben. Was haben Achtsamkeit und Meditation also gemein? Beide gehen zurück vor die Ebene rationaler Erkenntnis, vor die Ebene verbaler Begrifflichkeiten: Lass einen Gedanken zu, nimm ihn an und lass ihn gehen. Konzentriere dich auf deinen Atem, dein Körpergefühl, die Ebene reinen Daseins. Verlass das sprachliche Denken, fühle. Schalte alle Filter des Bewusstseins ab, bewerte nicht und die Empfindung des So-Seins vor aller Beurteilung wird dich mit der Welt die du repräsentierst, die in dir liegt, verbinden.

Wozu soll dieses Loslassen gut sein? Wozu das zu sich selbst finden (und der Welt in mir). Was nützt es zu mir selbst zu finden? Was fang ich mit mir an wenn ich mich gefunden habe? Kann ich dann besser mit mir umgehen? Kann ich mich dann auf die Welt einstellen oder einfach nur besser verstehen, wie ich zur Welt passe?

Auf dem Sterbebett gibt es wohl kaum jemanden der sagt: ich habe alles richtig gemacht. Die meisten bereuen eher was sie nicht gemacht haben. Meist hat man zu viel Zeit verschwendet mit Arbeit und zu wenig Zeit verbracht für die Verwirklichung der Träume. „Ich wünschte- ich hätte mehr erreicht“ gehört vielleicht, „-mehr gearbeitet“ sicher nicht zu den letzten Botschaften auf dem Totenbett. Fast alle bereuen Versäumnisse. Nicht genug gereist zu sein, nicht genug Spaß gehabt, nicht genug Zeit mit der Familie verbracht zu haben, sich nicht den Traum der Kindheit erfüllt zu haben.

Liegt also der Sinn der Achtsamkeit darin sich selbst zu finden oder gar nicht erst zu verlieren, um nahe bei dem Kind zu bleiben, das einst Träume hatte, die in der erwachsenen Welt nicht bestehen konnten. Wo sind die Träume des Kindes hin? Oder ist es doch vielleicht eher die Fähigkeit zu träumen die, nicht gepflegt, verloren ging?

Und haben wir diese Fähigkeit nur gegen Nüchternheit eingetauscht oder haben wir dafür zumindest emotionale Reife gewonnen. Sind wir nach wie vor Kinder – die ernüchtert sind – oder sind wir tatsächlich erwachsen geworden und was bedeutet das, was bedeutet emotionale Reife?

Das klingt nach Vernunft, danach sich zu kennen, den Kurs abzustecken und seine eigene Macht zu verstehen. Das klingt nach der Fähigkeit, eigene Überzeugungen in Übereinstimmung mit dem Leben zu bringen. Das Klingt nach Reflexion und bewusstem Troubleshooting. Das klingt nach Lenken und Tun. Aber das Tun ist ja gerade eine Fähigkeit des Kindes. Zu Handeln ohne an Konsequenzen zu denken. Wenn das Kind in der Reifung auf der Strecke bleibt, neigt man dazu zu viel denken und nicht ins Handeln zu kommen. Das Kind setzt die Magie ein, es handelt ohne zu wissen wohin das führt.

Erwachsensein löst das Kind sein aber nicht ab, sondern umschließt es. Das Kind ist immer noch da, sonst gäbe es auf dem Sterbebett keine Reue. Die Meditation und die dabei oft eingesetzten Visualisierungen sind gewissermaßen die Kindheitsträume als Variante des Erwachsenen, die ihn auf magische Weise mit sich selbst in Verbindung bringen. Nur das dieser eben nicht aus Unbedachtheit in den Flow fällt, wie das spielende Kind.

Der Erwachsene muss, um die Reflektion zu überwinden, viel Arbeit investieren um in den Flow zu geraten – einer Passage zwischen Über- und Unterforderung. Trifft ein Künstler diese Passage kann er, wie das Kind, im Spiel hingleiten. Der Pianist, dem sein Spiel zur zweiten Natur geworden ist und dessen Anspruch ihm dennoch alles abverlangt, bewegt sich in diesem Spielraum der Selbstvergessenheit.

Die Kunst zu perfektionieren ist dabei die Bedingung der Möglichkeit zum Flow. Erwachsen werden heißt also sich den Flow aussuchen zu können, wenn es auch viel Übung bedeutet.

Ein Sprichwort sagt, wenn das Glück anklopft muss man (nur) die Tür öffnen. Man muss aber vorbereitet sein, damit man das Klopfen wahrnehmen kann bzw. die Tür auch aufkriegt. Achtsamkeit kann ein Teil dieser Vorbereitung sein.

Mein Fazit bisher: immer in Bewegung bleiben.

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